Vor Jahren habe ich bei Arno Stern (bekannt aus dem Kinofilm Alphabet, Autor, Pädagoge, Forscher und Begründer vom „Malort“ in Paris) eine Malraumausbildung absolviert. Ich machte diese Ausbildung eigentlich nicht, weil ich einen Malort eröffnen wollte, sondern weil mich der Mensch Arno Stern faszinierte. Seine Kinder besuchten niemals eine Schule, sprechen mehrere Sprachen und haben verschiedene Berufsausbildungen.
Als er bei einem Vortrag die Frage gestellt bekam – Weshalb er die Kinder nicht in die Schule schickte – antwortete er (ganz kurz zusammengefasst): „Jeder hat eine andere Schmerzgrenze. Meine ist – was meine Kinder anbelangt – nicht sehr hoch.“
Es geht jetzt nicht darum wie genau seine Worte waren, auch will ich ihn nicht dazu benutzen um meinen Beitrag zu schreiben. Doch das was mich damals so stark geprägt hat war der Satz – Jeder hat eine andere Schmerzgrenze.
Nach dieser Aussage wurde es kurze Zeit ganz still im Vortragsraum. Man spürte förmlich, wie alle (es nahmen viele Pädagogen teil) über diese Worte nachdachten. Bei mir selbst löste es viel aus. Obwohl meine Kinder in wirklich tolle Schulen gingen (und noch immer gehen), die auf ihre Interessen abgestimmt waren/sind, wusste ich natürlich, dass unser Schulsystem weit entfernt ist von einer gesundheitsförderlichen Institution. Ich persönlich hatte immer großes Glück mit den Lehrern meiner Kinder, doch bei meinen Behandlungen sah ich zu viele Kinder die unter dem Druck, dem Stress und dem in eine Form gebracht werden, litten.
Nun denke ich wieder an seine Worte. Wo liegt in dieser Zeit unsere Schmerzgrenze? Wo machen wir diesmal mit – aus Angst? Ich leugne nicht, dass es Krankheiten gibt – auch nicht, dass diese Zeit für viele schwer ist. Ich habe in den letzten Monaten selbst einige Menschen begleitet, die auf der Intensivstation lagen. Natürlich ist das nicht schön. Doch es ist nichts Neues. Früher wurde ich oft direkt in Krankenhaus gerufen, heute geht alles nur über die Ferne. Im Laufe der Jahre durfte ich Vieles erleben – körperliche Heilung und Begleitung im Sterbeprozess.
Also wie gesagt ich kenne solche Situationen sehr gut. Trotzdem dürfen wir uns nicht in unseren Ängsten verlieren. Es gibt nichts zu fürchten. Niemand geht zufällig aus dem Leben. Alles hat seine Ordnung. Vielleicht erscheint es uns in unserer Vorstellung nicht so, doch es ist immer im Sinne des Menschen, der sich verabschiedet.
Wir sollten uns gut überlegen wo in allen Bereichen unsere persönliche Schmerzgrenze liegt – wo wir mitmachen möchten und wo nicht – und vor allem was und wie viel wir unseren Kindern zumuten. Ich glaube Angst und Sorgen sind nicht förderlich für die Gesundheit. Weder für Erwachsene und schon gar nicht für Kinder. Ich persönlich bin ein Mensch der sich so gut wie nie ein Urteil über Personen bildet. Ich beurteile zwar Situationen, aber versuche nie Menschen zu beurteilen. Jeder soll denken und tun können was er möchte. Aber jetzt ist eine Schmerzgrenze bei mir erreicht. Wenn es um Kinder oder Tiere geht kann ich nicht wegschauen.
Diese beiden Gruppen können nicht für sich selbst entscheiden. Sie sind auf die Hilfe der erwachsenen Menschen angewiesen. Meine Frage lautet: „Wie weit gehen wir noch?“ Nicht nur, dass wir unseren Kindern mit Stäbchen in die Nase fahren lassen, ihnen das Gefühl geben sie könnten schuld sein an der Erkrankung von Großeltern, sie von Freunden isolieren, usw. – nun setzen wir ihnen auch noch stundenlang Masken auf.
Bitte liebe Erwachsene – wo ist endlich Schluss? Nur wir Eltern können nun etwas verändern. Wir sind verantwortlich für unsere Kinder.
Wollen wir wirklich so tun als wäre es in Ordnung was mit unseren Kindern passiert?